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Auf der Suche nach meiner neuen Bestimmung
Bild/Illu/Video: Heidi Troisio

Auf der Suche nach meiner neuen Bestimmung

Erste interessante Weiterbildungsmöglichkeiten werden bereits geprüft. Auch liebäugle ich mit dem einen oder anderen Jobangebot. Beides branchennah sowie fern. Alles ist offen. Vorerst bleibt es aber beim Prüfen und Liebäugeln. Denn solange Ausnahmezustand herrscht, bleibe ich sowieso zu Hause und geniesse meinen verlängerten Mutterschaftsurlaub.


Ebenfalls zum Nachdenken gebracht hat mich meine Arbeit bei der Facebook-Gruppe Corona Hilfe Liechtenstein. Ich hätte nie gedacht, dass das so anspruchsvoll sein kann. Tatsächlich spürt man es nirgendwo besser als in den sozialen Netzwerken, wenn die Nerven blank liegen. Ältere Menschen verzweifeln alleine zu Hause, Eltern sind überfordert mit Home Office und Home Schooling, Selbstständige bangen um ihre Existenz, Anhänger von Verschwörungstheorien geben sich die Klinke in die Hand. Da braucht es bei der Moderation der Gruppe tatsächlich viel Fingerspitzengefühl und manchmal auch Nerven aus Stahl. Gewisse Beiträge, Kommentare oder sogar Privatnachrichten beschäftigen mich manchmal den ganzen Tag. Ich muss unbedingt lernen, mich abzugrenzen.


Ein einschneidendes Erlebnis war auch die Osterfeier ohne unsere Eltern und Geschwister. Mein Mann und ich haben an Ostern zum ersten Mal selber gekocht. Normalerweise verbringen wir die Ostertage abwechselnd bei unseren Eltern und werden dementsprechend kulinarisch verwöhnt. Nach einem Monat in Quarantäne kochen wir aber mittlerweile fast selbst so gut! Selbstverständlich haben wir auch Schokohasen gesucht und unseren Nächsten eine Kleinigkeit in den Garten beziehungsweise Briefkasten gelegt: Osterhasen aus WC-Papierrollen, angemalt von unserem kleinen Picasso und gefüllt mit leckeren Schoko-Eiern. Ja, unter Quarantäne haben sogar mein Sohn und ich - beide ohne grossen Geduldsfaden geboren - angefangen zu basteln!


Fast noch krasser - dieser Ausdruck trifft das Ganze wirklich ziemlich gut - war der Geburtstag unseres Grossen. Ohne Nonni, Gotta und Götti oder Gspänli. Einfach wir vier zu Hause - im Pyjama, so wie sich das unser 3-Jähriger unter diesen Umständen gewünscht hat. Ich habe sein Lieblingsessen eingekauft und in der Nacht die Küche geschmückt. Bereits am Morgen früh haben wir die ersten Geschenke geöffnet und damit gespielt. Viele weitere Überraschungen fanden wir im Verlaufe des Tages vor der Haustüre oder im Briefkasten. Sooo lieb! Ausserdem trudelten den ganzen Tag Videos von den Geburtstagsgästen ein, die nicht vor Ort mitfeiern konnten. Das Lächeln meines Sohnes beim Schauen dieser kreativen Filmchen - einfach unbezahlbar! Am späten Nachmittag dann der Höhepunkt: Unser Grosser blies die drei Kerzen auf seiner Paw-Patrol-Torte aus, die seine Nonna für ihn gemacht hatte, ass ein grosses Stück Schwarzwälder und schlief keine Stunde später glücklich und zufrieden in meinen Armen auf dem Sofa ein.


Anfang dieser Woche dann ein kleiner Lichtblick für uns und wahrscheinlich auch alle anderen Familien: Daniel Koch vom Schweizerischen Bundesamt für Gesundheit sagt im Interview mit dem Grosseltern-Magazin,  dass Kinder womöglich doch nicht, wie zuerst angenommen, die grossen Überträger des Corona-Virus sind. Die Grosseltern dürfen laut Koch ihre Enkelkinder darum auch wieder einmal umarmen. Vom Enkelhüten rät er aber nach wie vor ab. Diese Aussage ist leicht verwirrend und lässt grossen Interpretationsspielraum zu wie die Diskussionen in den sozialen Medien zeigen. Wir persönlich haben entschieden, dass wir unsere Eltern trotzdem weiterhin nur im Garten auf Distanz sehen. Und das momentan vor allem aus einem Grund: Um unseren Jungen nicht zu verwirren. Jetzt hat unser Dreijähriger endlich gelernt Abstand zu halten, dann gehe ich doch nicht hin und sag ihm, er dürfe seine Nonni jetzt wieder umarmen - zum Spielen dürfen sie aber nach wie vor nicht ins Haus kommen. Wie soll ich ihm das Ganze erklären, wenn nicht einmal Erwachsene begreifen, worum es geht? Und im schlimmsten Fall ändert sich die Faktenlage wieder oder es gibt eine zweite Welle. Da warte ich lieber noch eine Weile ab - um unsere Grosseltern und unsere Kinder zu schützen.

Dass wir auf Nummer sicher gehen und uns strikt an die Empfehlungen halten, hat vielleicht auch mit unserer Vorgeschichte zu tun («Wenn die Karten neu gemischt werden») Wir befinden uns eigentlich schon seit der Operation meines Mannes vor sieben Monaten im Ausnahmezustand. Ich bin gespannt, wie lange dieser noch anhält. Ich persönlich finde ja, dass wir das Ganze nicht schlecht meistern. Wir wachsen gerade richtig zusammen als junge Familie. Da ich nicht arbeite und das zeitintensive Hobby meines Mannes wegfällt, haben wir momentan so viel Zeit für unsere Jungs wie noch nie - und das noch solange sie so klein sind. Ich würde das schon fast einen Segen nennen, wären die Umstände nicht so widrig. Es scheint als würde uns das Leben gerade eine ganz grosse Lektion erteilen. Lernen wir daraus.


Zum Schluss noch ein paar Worte zum Bild

Ein Bild in der Collage ist nicht Corona-konform: Das Interview mit dem Torhüter Diego Benaglio ist schon einige Jahre her. Damals war er noch Goalie der Schweizer Nationalmannschaft.

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