
«Ich kaufe meinem Sohn kein pinkes Einhorn!»
Im Nachhinein habe ich mich gefragt: Warum eigentlich? Ich habe meinem Sohn ja neben der Autogarage und der Werkbank auch eine Spielküche und eine Puppe gekauft. Aber: sind Köche nicht vielfach Männer? Und die Puppe ist ein Junge. Ach ja, und ich trage meinen Sohn in einer Traghilfe mit rosa Farbverlauf - Aber das ist auch eher mein Accessoire als seines!
Wer meine Einstellung kennt, weiss: Es geht mir nicht darum, dass mein Junge gehänselt werden könnte. Ich möchte ihn nämlich zu einem selbstbewussten jungen Mann erziehen, der zu sich steht und sich nicht von der Meinung anderen beeinflussen lässt. Trotzdem: Ich möchte ihn zu einem RICHTIGEN MANN heranwachsen lassen und damit verbinde ich nun eben kein pinkes Einhorn. Schliesslich kommen Ritter immer auf einem weissen staatlichen Pferd dahergeritten!
Geschlechterspezifische Rollenbilder sorgen unter Mütter immer wieder für Diskussionen. Während einige wie ich nach «männlichen» Alternativen suchen, lassen andere ungeniert ihre Jungs im grellpinken Tutu herumspringen. Mein Mann würde mich lynchen. Trotzdem bin ich kürzlich bei einer solchen Diskussion über eine interessante Buchempfehlung zum Thema gestolpert: «Die Rosa-Hellblau-Falle» von Almut Schnerring und Sascha Verlan. Der Titel weckte meine Neugierde und ich bestellte das Buch noch in derselben Nacht online zu mir nach Hause.
Bereits beim Lesen der ersten Seiten wurde mir dann bewusst: Ich bin genau in diese Rosa-Hellblau-Falle getappt! Die Spielzeugindustrie befriedigt mit den beiden Farben nicht einfach nur die Grundbedürfnisse von Mädchen und Jungen, sondern verstärkt traditionelle Rollenbilder, die wir längst überwunden glaubten. So findet man in der Mädchenabteilung vor allem Puppen, Kuscheltiere und Küchenzubehör. In der Bubenabteilung hingegen gibt es Dinosaurier-Spielfiguren, Bausätze und Autos. Und findet man tatsächlich einen Baukasten in der Mädchenabteilung ist er pink - die Puppe in der Bubenabteilung hat selbstverständlich blaue Kleider an.
Die Rollenklischees haben laut den Autoren eine grosse Macht. Im Buch beschreiben sie verschiedene Untersuchungen, die den Einfluss stereotyper Ansichten auf das Selbstbild und auf die Leistungen von Menschen nachweisen. Geblieben ist mir ein Mathematik-Test mit zwei gemischten Testgruppen. Wir kennen alle das Klischee, dass Männer in Mathe besser sein sollen als Frauen. Darauf basierend wurde in der einen Gruppe darauf hingewiesen, dass Frauen und Männer bisher immer unterschiedlich abgeschnitten hätten beim Test. Bei der anderen Gruppe gab es keinen Hinweis zum Geschlecht. Tatsächlich fiel das Ergebnis der Frauen in der ersten Gruppe deutlich schlechter aus als in der Kontrollgruppe.
Männer sind begabter in Mathematik, Frauen dafür einfühlsamer und sozial kompetenter. Bei diesen Rollenbildern ist es kein Wunder, sind Frauen in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen untervertreten und Männer in Pflege- und Erziehungsberufen eine Seltenheit. Laut Autoren der «Rosa-Hellblau-Falle» schränken wir die Wahlfreiheit unserer Kinder ein, wenn wir sie geschlechterspezifisch erziehen. Indem wir unsere Jungs zu «richtigen Männer» beziehungsweise unsere Mädchen zu «richtigen Frauen» erziehen, fördern wir typische Frauen und Männerberufe und erhöhen die Hemmschwelle für das andere Geschlecht - Zugespitzt formuliert: Indem ich meinem Sohn ein stereotypes Männerbild vermittle, beeinflusse ich die Chancengleichheit von Frauen und Männer negativ! Bäm! Das ist wohl das letzte, was ich als emanzipierte Frau will!
Das Buch habe ich zwar noch nicht fertig gelesen, aber ich werde mich ab sofort hüten, die Spielzeugwahl meines Sohnes zu beeinflussen. Ausserdem werde ich darauf achten, dass ich künftig keine stereotypischen Aussagen mehr machen werde. Nach dem nächsten Coiffeurbesuch wird mein Sohn bestimmt nicht mehr zu hören bekommen, dass er mit den kurzen Haaren nun wieder wie ein «richtiger Junge» aussieht, sondern einfach, dass ihm die Frisur gut steht – egal, welchen Haarschnitt er sich ausgesucht hat!
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Bild: Auch bei meinen Lieblings-Cornflakes hat die Rosa-Hellblau-Falle zugeschnappt. Dafür muss ich nun keine Angst haben, dass mein Mann sie mir weg isst! ;-)