
«Ohne Deadline kann ich nicht denken»
Doris Knecht, Sie haben schon mehrere Auszeichnungen erhalten, waren für den
deutschen Buchpreis nominiert. Nun erhalten Sie den Preis der KOLUMINATION für
Ihre Kolumnen. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Ich empfinde diese Auszeichnung als sehr schmeichelhaft. In Österreich bin ich zwei Mal Kolumnistin des Jahres geworden, aber der Preis der KOLUMINATION ist ein internationaler Kolumnistenpreis. Es ist schön, im ganzen deutschsprachigen Raum bemerkt zu werden.
Sie waren Journalistin, sind Romanautorin. Welchen Stellenwert hat für Sie das Kolumnenschreiben?
Es ist eine äusserst angenehme Textform für mich. Ich habe bisher ungefähr 3600 Kolumnen geschrieben, diese Textform habe ich inzwischen einigermassen verinnerlicht. Es fällt mir leicht, Kolumnen zu schreiben: Ich kenne ihr Länge, weiss, welchen Gedanken ich nachgehen muss und welchen nicht. Ich muss beim Kolumnenschreiben darauf achten, in der Form zu bleiben und einen Abschluss zu finden, damit die Kolumne nicht irgendwo im Nichts endet. Mir gefällt, dass man sich dabei einschränken muss und eine klare Vorgabe hat, während man sich beim Schreiben von Romanen gehen lassen kann. Was ich an der Kolumne ebenfalls mag, ist die Kurzlebigkeit des Textes: Sie ist geschrieben für den Tag und muss nicht über Monate hinweg gültig sein. Bei Romanen ist das anders.
Kolumnen schreiben heisst auch: Termine einhalten, originell sein. Wie erleben Sie diese Drucksituation?
Ich kann nur unter Termindruck arbeiten. Wenn ich keine Deadline habe, kann ich nicht denken. Die Deadline macht mich kreativ. Insofern ist es ganz gut für mich, dass ich zweiwöchentlich drei Abgabetermine habe – für meine wöchentliche Kolumne für das Wiener Magazin «Falter» und die zweiwöchentliche in den Vorarlberger Nachrichten.
Im Rahmen der KOLUMINATION treffen Sie auf Slammerinnen und Slammer. Welche Beziehung haben Sie zum Slam?
Wenig. Das ist nicht meine Form, denn ich spreche nicht gerne frei und trete auch nicht gern vor Publikum auf. Das geht ganz gut bei Lesungen, weil ich da einen Text vor mir habe. Aber Slammen, im direkten Austausch mit dem Publikum, das kann ich nicht.
Die Laudatio für Sie als Preisträgerin wird der deutsche Kolumnist Axel Hacke halten, der den Preis der KOLUMINATION im vergangenen Jahr gewonnen hat. Welchen Stellenwert hat Hacke für Sie?
Ich bin ein totaler Axel Hacke-Fan. Welche Kolumnistin ist das nicht? Das ist vielleicht das Beste am Gewinn des Preises der KOLUMINATION. Und natürlich macht mich das auch wahnsinnig nervös.
Den Säntisgipfel, wo Sie die Auszeichnung entgegennehmen, haben Sie in Ihrer Jugend im vorarlbergischen Rankweil stets im Blick gehabt. Welche Rolle spielt der Berg für Sie?
Mit Ausnahme der ersten KOLUMINATION, wo ich als Kolumnistin aufgetreten bin, habe ich den Säntis bisher nur von unten gesehen. Ich liebe die Berge, aber erst seit ich erwachsen bin. Als Kind fand ich Berge eher anstrengend. Wir hatten einen schlimmen Lehrer in der Oberstufe, der hat uns jeweils gequält an den Wandertagen, und dadurch war mein Verhältnis zur Bergwelt sehr abgekühlt. Wenn ich heute von meinem Wohnort Wien nach Vorarlberg und in die Schweiz komme, bin ich extrem beeindruckt von dieser Gewalt der Natur.
Abgesehen von den Bergen: Wie ist Ihr Verhältnis zur Ostschweiz?
Es ist eine Kindheitsbeziehung. Wir sind viel über die Grenze einkaufen gefahren, weil in der Schweiz komischerweise viele Sachen billiger waren als in Vorarlberg. Wir haben beispielsweise Blätterteig gekauft und Prügeli. Dadurch habe ich gute Erinnerungen als Kind, weil es dort immer gute Sachen gab. Ich habe die Schweiz immer sehr gern gehabt, und St.Gallen und Zürich waren die ersten richtigen Städte, die ich kannte.
Später haben Sie dann zwei Jahre in Zürich gelebt, für den Tages-Anzeiger und die NZZ geschrieben. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zürcher Zeit?
Es war eine spannende, tolle Zeit. Ich wäre eigentlich gern noch länger geblieben, habe dann aber Zwillinge gekriegt, und es hat sich als einfacher herausgestellt, zurück nach Wien zu gehen. Es war ein schönes Arbeiten, weil man noch Zeit für lange Geschichten, für Reportagen hatte. Das hat man heute im Journalismus kaum mehr. Die Kolumne, die ich heute für den «Falter» schreibe, habe ich übrigens damals beim Tages-Anzeiger begonnen. Ich schreibe diese Kolumne nun seit mittlerweile 22 Jahren ohne Pause.
Welche Themen bevorzugen Sie in Ihren Kolumnen?
Die Themen haben sich über die Zeit verändert. Die heutige «Falter»-Kolumne hat anfangs vom Unterschied zwischen Schweizern und Österreichern gehandelt, vor allem vom Unterschied zwischen Wien und Zürich, vom Zwinglianischen der Zürcher und dem Katholisch-Jüdischen der Wiener. Die Wiener sind manchmal eine etwas faule Partie, was man von den Zürchern nicht behaupten kann. Später schrieb ich darüber, was es mit Erwachsenen macht, wenn sie Kinder kriegen. Heute kommt in der Kolumne viel Feminismus vor, viel Stadtleben, viel Umwelt und Klimaschutz. Die Kolumne in den Vorarlberger Nachrichten handelt von Vorarlbergern, die weggezogen sind und in grosser Distanz leben. Das gibt natürlich viele Geschichten her.
Doris Knecht: Erfolgreich mit Kolumnen und Romanen
Die Preisverleihung an Doris Knecht erfolgt anlässlich der 3. KOLUMINATION vom 28./29.Oktober 2022 auf dem Säntis. Die in Wien lebende und in Vorarlberg geborene Autorin und ehemalige Journalistin hat zahlreiche Kolumnenbände und Romane veröffentlicht.
Ihre Kolumnen erscheinen derzeit in den Vorarlberger
Nachrichten und in der Wiener Wochenzeitung Falter. Doris Knecht ist auch als
Romanautorin erfolgreich.
Aus ihrer Feder stammen «Gruber geht», «Besser», «Wald», «Alles über Beziehungen» und «weg». Ihr sechster Roman «Die Nachricht» erschien vor Jahresfrist im Hanser Verlag Berlin. «Gruber geht» wurde für den deutschen Buchpreis nominiert und verfilmt. 2018 erhielt sie den Buchpreis der Wiener Wirtschaft.
Nach dem Schweizer Beat Kappeler und dem Deutschen Axel Hacke gewinnt mit Doris Knecht nun eine österreichische Autorin den Preis der KOLUMINATION. Axel Hacke wird am Abend des 28. Oktober 2022 die Laudatio halten.
Tickets Festival der Worte 28./29. Oktober 2022
Es können Tickets für einen oder beide Tage, mit oder ohne Übernachtung (auf
der Schwägalp) gekauft werden. Dank dem Event-Partner der KOLUMINATION, Säntis,
der Berg, können den Besucherinnen und Besuchern attraktive Packages angeboten
werden – unter anderem mit Berg- und Talfahrt, Pausenerfrischungen, Abendessen,
Übernachtung und musikalischer Unterhaltung. Informationen und Tickets unter
www.kolumination.ch.