
Zu Hause verblöde ich! Nicht!
Ich gehöre zwar auch zu den Müttern, die gerne arbeiten - zu Hause verblöde ich aber noch lange nicht. Im Gegenteil, ich finde meine Aufgaben als Mutter sogar anspruchsvoller als meinen Job. Und das will was heissen!
Ich arbeite als Radioredaktorin und komme tagtäglich mit gefühlt hundert verschiedenen Themen in Kontakt. Das Themenspektrum reicht vom verschwundenen Kätzchen über den Tag der offenen Tür einer Kita bis hin zur Aufhebung der Euro-Franken-Wechselkursgrenze und politische Querelen. Diese mehr oder weniger komplexen Themen gilt es, innerhalb kürzester Zeit - und am besten alle gleichzeitig - journalistisch aufzuarbeiten. Das heisst, man liest sich ein, versteht worum es geht, recherchiert Fakten und Hintergründe, sucht geeignete Gesprächspartner und verfasst schlussendlich einen kurzen und knackigen Beitrag, den jeder Hörer unabhängig seines Wissensstands versteht. Das klingt anspruchsvoll? Ja, das ist es auch.
Ich finde die Kinderbetreuung und -erziehung aber wesentlich anspruchsvoller. Denn hier trage ich die Verantwortung für einen Menschen (!) und nicht einfach nur für den korrekten, ausgewogenen, verständlichen Inhalt eines Beitrages. Auch wenn du auf einer Bank arbeitest und Millionen hin- und herschiebst. Das Leben deiner Kinder ist mehr wert. Auch wenn du im sozialen Bereich arbeitest und anderen Menschen hilfst – deine eigenen Kinder brauchen Dich noch mehr.
Wie ziehe ich mein Kind gross, damit es eine gute Basis hat, um in der heutigen Zeit ein zufriedenes und selbstbestimmtes Leben zu führen? Wie vermittle ich ihm wichtige Werte wie Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Respekt? Wie lehre ich es, mit dem Druck und Stress in der heutigen Gesellschaft umzugehen? Wie zeige ich ihm, dass es neben Hass, Neid und Missgunst auch viel Liebe auf dieser Welt gibt?
Ich gebe es zu: Die Trotzphase - oder neutral formuliert Autonomiephase - meines Kleinkindes bringt mich derzeit an meine Grenzen. Obwohl ich weiss, wie wichtig diese Phase für die Entwicklung seiner eigenen Persönlichkeit ist, weiss ich oft nicht, wie ich damit im Alltag umgehen soll, wenn mein Sohn wieder einmal nicht Windeln Wechseln oder sich anziehen will. Wenn er den Familientreff zusammenschreit, weil er nicht alle Autos alleine haben kann oder er sich auf dem Spielplatz um die Geräte streitet. Ich lese bedürfnisorientierte Erziehungsratgeber (zum Beispiel die Bücher von Jesper Juul sind sehr empfehlenswert), tausche mich mit Familie und Freunden aus, verlasse mich im Zweifelsfall aber auch auf mein Bauchgefühl. Fakt ist: Ich lerne nie aus, mache Fehler, ärgere mich darüber, versuche aber täglich wieder mein Bestes, meinem Kind ein gutes Fundament für seine Zukunft mitzugeben.
Was ich damit sagen will? Auf keinen Fall, dass Mütter sich nicht einmal über den Alltag mit Kind und Haushalt beschweren dürfen. Es ist streng, auch wenn anders als bei der Arbeit. Mütter sollen unbedingt einen Ausgleich wie Arbeit, Sport und/oder Ausgang haben. Denn die Abwechslung entspannt, und entspanne Mütter haben - wie wir alle wissen - mehr Geduld und Nerven für den schönen, aber auch aufreibenden Alltag mit Kinder. Ich würde mir aber trotzdem wünschen, dass die Kindererziehung im Vergleich mit der externen Arbeit nicht immer so unterschätzt wird.
Kinderbetreuung ist mehr als nur Windeln Wechseln und Füttern. Kinder brauchen Eltern, die sich um sie kümmern. Mama und Papa, die mit ihnen kuscheln, spielen, sprechen, sie in ihrer Persönlichkeit stärken und ihr Selbstbewusstsein fördern. Halten wir uns vor Augen: Wir erziehen die Frauen und Männer, Partnerinnen und Partner, Mütter und Väter sowie Arbeitgeber und -nehmer von Morgen. Diese können die Welt ein klein bisschen besser machen. Oder schlechter. Bemühen wir uns!