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Zwischen den Lebensfarben erinnerter Schmetterlinge

Ihr lyrisches Debüt feierte die Autorin bereits 2015 mit Warteschleifen auf Holz. Der neueste Gedichtband Falterfragmente (dr. ziethen verlag, Oschersleben, 2022) von Franziska Beyer-Lallauret kommt zweisprachig daher und ohne Interpunktionen aus. Das Französische singt in den Illustrationen von Johanna Hansen, die einen eigenen Farbklang bilden, aber nicht wider-spiegeln. Manchmal begegnen uns auch einige wenige Untertitel, wie Mahnmale. Auch ein einzelner, eingestreuter Anglizismus wird selbst Fragment und sagt No risk. Ich glaube ihm schon beim Lesen nicht ganz und stürze zurück ins Gedicht, das sich vor meinen Augen nicht nur entfaltet, sondern auch im Stoff, in den Gewand-Falten verhüllt. Es ist wie Johanna Hansens Rot-Pink an sehnsuchtsvollem Königinnenblau, das beruhigt und entrückt und für stille Aufregung sorgt, immer zwischen den gefalteten Händen, wo man ein Gebet wie Führung erwartet hätte. Als Leserin möchte ich an Schmetterlinge denken und der französische Titel gibt sie preis, wissend, dass ein Flügelfragment einen oder mehrere Tode bedeutet hat und mir nichts bleibt als bunter Staub auf meinem Zeigefinger, dann lieber nochmals vereinzeln, im Fragment bleiben und sich darin einrichten, wie in einer Traumsequenz, die in Teilen wenigstens noch fliegen könnte und ich mit ihr, sofern auch ich noch kann.


So geht es mir beim Lesen von Falterfragmenten, meine Flucht ins Französische gelingt nur halbherzig, bleibt Frommer Wunsch, denn «Wir denken nicht ans Holundersafttrinken / Es gab eine andere Zeit da pressten wir Kugeln». Schmetterlinge lehnen sich auch in Hansens Bildtiteln an Worthälften an, die ohne Flügel nicht sein können. Geflügelte Worte unter sich, gleitende Metaphern, halbe Monde, Verführung hat eine Wahl zu treffen zwischen Nachtfalter, Mohn und Mond, die nur im Bild, im Halbdunkel wenigstens, zusammenkommen, als könnten sie ein Ganzes mimen. Dann dringt das Französische titelwärts ins Deutsche ein, nicht durch, Märchen werden an rote Fäden gehängt, und ich weiss, dass ich das war, denn das Gedicht sagt «Du», ein «Phänomen», «Wenn sie angeschaukelt kommen / Auf meiner Seite der Welt / Höre ich Worte platzen / Aus Seidenblasen / Die Seife steht dir / Bis zum Kinn». Erwartungshaltungen werden geweckt, aber nicht erfüllt, vergeblich suchen wir zwischen den Zeilen, krempeln auch die Bilder um, die immer neu entstehen, vor dem inneren Auge, das wir selbst nicht sehen können, nur fühlen. Ich gestehe mir ein, ich sollte glücklicher Gedichte lesen, vielleicht im Lieblingsmonat des Bandes, im August, der für eine Kleine Zeit sogar Scheitel trägt, damit wir zwischen den Feldern schwimmen können. Da bleibt nur noch Flurbereinigung, als wäre auch dieses Gedicht ein möglicher, ein schöner Gang. Das kann es werden, im Fragment, oder in einer anderen Sprache, die ich mir vornehme, ganz langsam zu lernen, damit sie richtig und dann schön klingt, wie Musik, wie Wasser, wie blau-roter Wein. Der Herzkasper wird geradeso noch abgewendet durch «Rotstrudel aus dem Tetrapack». Und doch, auch der Beerdigungsdienst ist uns bereitgestellt wie Schnee, wo verspätete Terrakotta-Engel in der Manteltasche geschoben werden, ganz, als hätte man uns Hände gereicht wie Gedichte und Bilder.

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